Mittwoch, 21. November 2012

Konsum von Cannabis - Trunkenheit im Straßenverkehr?

Trunkenheit im Straßenverkehr - absolute Fahruntüchtigkeit bei Konsum von Cannabis

Der Konsum von Cannabis in Verbindung mit dem Straßenverkehr gewinnt in der Praxis der Strafverteidigung immer mehr an Bedeutung. So stellt sich für den Betroffenen immer die entscheidende Frage: 

Lag bei mir ein akuter Rauschzustand vor und war die Fahruntüchtigkeit beeinträchtigt? 

Das Gericht selbst wird stets eine eigene sorgfältige Prüfung vornehmen. Dabei überprüft es zumeist gutachterlich den Rauschzustand. Die Bewertung des Gerichts zielt dann darauf ab, ob letztere gegen denklogische Gesetze verstößt, oder ob die Bewertung auf den aktuellen in der medizinischen Forschung erreichten Kenntnis- und Erfahrungsstand beruht.

Welche Rolle spielt der Grenzwert von 1,0 ng THC?

Nach der Empfehlung der Grenzwertekommission beträgt der analytische Grenzwert, ab dem sicher mit dem Auftreten von Ausfallerscheinungen, also mit einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit i.S. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen ist, für THC (Tedrahydrocannabinol) 1,0 ng/ml.

Nun ein Fallbesipiel vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin:

Hier war bei dem Betroffenen eine Wert von 20,0 ng/ml felstgestellt worden. Wie hat das Gericht darauf reagiert?

Die Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit i.S. von § 316 StGB ist damit erreicht, ohne dass es der Feststellung weiterer Ausfallerscheinungen oder Fahrfehler bedurfte. Der festegstellt THC Wert betrug das 20fache des von der Grenzwertekommission empfohlenen Wertes.

Zu den Ausführungen des Gerichts:

Das Gericht führte aus, dass die Würdigung der absoluten Wirkstoffmengen -  ohne Hinzutreten von Ausfallerscheinungen oder Fahrfehlern - umstritten ist.

Sofern die ältere Rechtsprechung davon ausgeht, dass sich im Strafrecht für die Fahruntauglichkeit auf Grund von Betäubungsmitteln keine „absoluten” Wirkstoffgrenzen feststellen lassen, wird dieser Rechtsansicht nicht gefolgt. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass man mittlerweile die eingetretene wissenschaftliche Entwicklung in der chemischen Analyse der Wirkstoffe sowie ihrer Abbauzeiten und -werte sowie die mittlerweile gewonnenen Erkenntnisse über die verkehrs-medizinisch relevanten Wirkungen von Cannabis sowie über den Verlauf des Cannabisrausches. berücksichtigen müsse.

Das Gericht setzt sich dann mit dem § 24a StVG als sogenanntes abstraktes Gefährdungsdelikt auseinander. Hierzu führt es aus:

"Es besteht aber keinerlei Rechtfertigung, derlei Grenzziehung beim abstrakten Gefährdungsdelikt nach § 24a StVG zuzulassen, beim abstrakten Gefährdungsdelikt nach § 316 StGB aber abzulehnen, zumal die Rechtsprechung, die diese Unterscheidung zwischen § 316 StGB und § 24a StVG vollziehen will, sie nicht schlüssig begründen kann."
Weiter heisst es dann:
"Wenn ausgeführt wird, bei § 24a StVG handele es sich wegen der generell-abstrakten Gefährlichkeit des Genusses von Drogen um einen abstrakten Gefährdungstatbestand als Vorfeld- oder Auffangtatbestand gegenüber der an engere Voraussetzungen geknüpften Strafvorschrift des § 316 StGB, handelt es sich um eine schlichte Behauptung, nicht aber um eine Begründung. Absolute Grenzwerte sind bei Alkohol längst anerkannt, nachdem sie von der Wissenschaft und Rechtsprechung entwickelt worden sind. Dies hat auch bei Rauschmitteln zu gelten."
Fazit:

Die Gerichte tragen dem Umstand Rechnung, dass neue wissenschaftliche Ausführungen zum Konsum von Cannabis Erkenntnisse hervorbringen, die in die Bewrtung von Straftatbeständen einfließen sollen. An dieser Schnittstelle muss die Strafverteidigung ansetzen und kritisch diese "neuen" Erkenntnisse hinterfragen.

Zur Vertiefung: AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 6. 4. 2011 - (310 Ds) 3012 PLs 11869/10 (32/10)


Rechtsanwalt Jan Marx
Pohl und Marx Rechtsanwälte

Kontakt:
Hohenzollerndamm 181
10713 Berlin

Telefon:
+49 (30) 863 954 72

Internet:

E-Mail:
info@anwalt-marx.de 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen