Dienstag, 17. Juni 2014

§ 249 StPO - Selbstleseverfahren bei der Anklageschrift?

Als Strafverteidiger kennt man folgende Situation nur zu gut: Eine sehr umfangreiche Anklageschrift, bei deren Verlesung der Staatsanwaltnach nach gefühlten Stunden auf Seite 52 angelangt ist und die 32. Tabelle mit allen Zahlen, Nummern und Buchstaben vorliest. Die Anklage umfasst schlussendlich 90 Seiten.

Oftmals geht einem durch den Kopf: Darauf können wir doch verzichten...die Idee des Selbstleseverfahrens kommt auf...und mal ehrlich, wäre das nicht eine prima Sache?

Dazu folgende Entscheidung (1 StR 458/10):

Soweit die Revision rügt, dass bei der Verlesung der beiden – zugelassenen – Anklagesätze entgegen § 243 Absatz 3 S. 1 StPO einzelne Spalten oder Zeilen darin enthaltener Tabellen nicht verlesen wurden, diese vielmehr in ein vor dem Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache durchgeführtes Selbstleseverfahren gegeben wurden, bleibt ihr der Erfolg versagt.

Der Senat hat ausgeschlossen, dass das Urteil hierauf beruht, da der Zweck der Verlesung des Anklagesatzes nicht beeinträchtigt wurde. Durch die verlesenen Teile der Anklagesätze waren die dem Angeklagten zur Last liegenden Taten hinreichend umgrenzt; das Verlesen der allgemeinen Schilderung der für alle Fälle gleichartigen Tatausführung ist hierzu ausreichend. Die Informationsfunktion gegenüber den Angeklagten und deren Verteidigern war gewahrt; diesen waren die Anklagen vollumfänglich zugestellt worden. Auch die Unterrichtung der Öffentlichkeit wurde – unbeschadet der Frage, wann andernfalls ein Urteil hierauf beruhen könnte – durch das Nichtverlesen einzelner, für das Verständnis der den Angeklagten zur Last liegenden Taten nicht erforderlicher oder förderlicher Einzelheiten nicht beeinträchtigt.

Fazit:

Wenn eine Abkürzung möglich ist, dann nur zu...Selbstleseverfahren für Anklageschriften sind aber nicht vorgesehen.

Pohl und Marx Rechtsanwälte
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