Mittwoch, 18. Juni 2014

Aus aktuellem Anlass: Hauptverhandlung...Ausbleiben des Angeklagten...Entschuldigung

Wenn es zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommt, so hat manch ein Mandant mit plötzlicher Überkeit oder ähnlichem Unbehagen zu kämpfen. Deshalb hört man auch oft die Frage: "Wenn ich nun krank werde, wie soll ich mich verhalten?"

Da wir gerade heute wieder eine nette Diskussion mit einer Geschäftsstelle bei Gericht hatten, nehmen wir das zum Anlass, uns diesen Sachverhalt näher anzuschauen:

Ausgangspunkt ist ein Haftbefehl nach § 230 Absatz 2 StPO, Ausbleiben des Angeklagten.

Hierzu ein interessanter Beschluss des Landgericht Aurich (12 Qs 5/11):

Maßgebend für die Frage ausreichender Entschuldigung ist, ob dem Angeklagten wegen seines Ausbleibens nach den Umständen des Einzelfalls billigerweise ein Vorwurf gemacht werden kann. Es muss vor allem auch in subjektiver Hinsicht eine Pflichtverletzung gegeben sein. Insoweit entschuldigt - wie hier - eine Krankheit das Ausbleiben des Angeklagten, wenn sie nach Art und Auswirkungen eine Beteiligung in der Hauptverhandlung unzumutbar macht. Zur Glaubhaftmachung genügt ein zeitnahes privatärztliches Attest, nach welchem der Angeklagte wegen einer näher bezeichneten Krankheit nicht reisefähig ist bzw. das konkrete Angaben über die Art der Erkrankung enthalten muss.

Dies ist hier der Fall. In der dem Gericht vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 29.12.2010 wird dem Angeklagten ein hochfieberhafter Infekt mit Kreislaufstörungen attestiert, die eine Bettlägrigkeit und Reiseunfähigkeit zur Folge hat und eine Wahrnehmung des Termins am 03.12.2010 unmöglich macht. Eine Anreise unter diesen Umständen wäre für den Angeklagten unzumutbar gewesen bzw. sein Ausbleiben ist ihm nicht vorzuwerfen.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Angeklagte auf diese Weise bereits zum ersten Hauptverhandlungstermin nicht erschienen ist. Wenn das Gericht insoweit das vorgelegte ärztliche Attest nicht für ausreichend hält oder diesem misstraut, hätte es zunächst dessen Ergänzung oder im Freibeweisverfahren eigene Ermittlungen dazu anstellen müssen, ob die vorgetragenen Gründe ein Ausbleiben ausreichend entschuldigen. Da aber auch in der Beschwerdeinstanz keine (weiteren) Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Entschuldigung bloß vorgetäuscht war, bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit des Attestes.

Auch die Tatsache, dass dem Angeklagten seine Verhandlungsunfähigkeit schon wenige Tage vor dem Termin bekannt war, rechtfertigt nicht den Erlass eines Haftbefehls. Da es nämlich auf die wirkliche Sachlage ankommt und nicht auf das Vorbringen des Angeklagten, ist es unerheblich, ob der Angeklagte den Entschuldigungsgrund schon früher hätte mitteilen können. Die erst im Termin erfolgte Mitteilung der Verhandlungsunfähigkeit stellt insoweit kein vorwerfbares Verhalten dar, an das das Gesetz in § 230 Abs. 2 StPO den Erlass eines Haftbefehls anknüpft.
Der Beschluss eignet sich gut, kurz in die vorgenannte Problematik einzutauchen und benennt wichtige Anhaltspunkte für das Vorgehen bei einer Erkrankung.

Pohl & Marx Rechtsanwälte
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