Montag, 23. Juni 2014

Strafrecht - Urteilsaufhebung wegen Darstellungsmängel

Das Gericht spricht den Mandanten frei, aus tatsächlichen Gründen. Grund für die Verteidigung, durchzuatmen? Nein, denn es kommt noch darauf an, das die Dartsellung im Urteil keine Mängel hat. 

So musste das Landgericht München einen deutlichen Hinweis des 1. Strafsenats hinnehmen, der einen Teilfreispruch wegen Darstellungsmängeln aufgehoben hat (BGH, Urteil vom 08.05.2014 1 StR 722/13)

Der 1. Senat äußert sich wie folgt:
"Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten...Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht...Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht... 
Denn das Landgericht stellt nicht dar, von welchem Geschehensablauf es sich aufgrund einer würdigenden Gesamtschau des dargestellten Beweisertrags überzeugt hat..."
Fazit: 

Ruhe bewahren und das schriftliche Urteil abwarten. Andernfalls kommt man dem Mandanten gegenüber in Erklärungsnot.

Pohl & Marx Rechtsanwälte
Fachanwälte für Strafrecht
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Strafbefehl: Beginn der Einspruchsfrist bei der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten

Auch das Strafbefehlsverfahren hat so seine Tücken - zugegeben, diese sind nicht besonders umfangreich, trotzdem muss man als Strafverteidiger gerade bei den Fristen aufmerksam sein. So musste sich nunmehr das Landgericht Stuttgart mit der Frage beschäftigen, wann denn eigentlich die Einspruchsfrist bei einem Strafbefehl beginnt, wenn der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist.

Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 12.05.2014 - Az. 7 Qs 18/14:

Der § 37 Absatz 3 StPO ist im Strafbefehlsverfahren analog anzuwenden. Daher ist dem Angeklagten der Strafbefehl zusammen mit der Übersetzung zuzustellen, wenn ihm nach § 187 Absatz 1 und § 187 Absatz 2 GVG eine Übersetzung des Strafbefehls zur Verfügung zu stellen ist. In diesem Falle beginnt nach § 37 Absatz 3 StPO die Einspruchsfrist nicht vor Zustellung der schriftlichen Übersetzung zu laufen; eine Zustellung ohne schriftliche Übersetzung ist unwirksam. Der Mangel der unwirksamen Zustellung wird durch nachträgliche Zustellung der schriftlichen Übersetzung behoben mit der Folge des Beginns des Fristenlaufs.

Fazit:

Dieser Fall tritt öfter ein, als man denkt. Selbst wenn der Mandant dem Anwalt den Strafbefehl eigentlich "zu spät" vorlegt, sollte man diesen Aspekt bei auslänsdischen Mitbürgern immer im Auge haben.

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Freitag, 20. Juni 2014

Aussage gegen Aussage bei dem Tatvorwurf Vergewaltigung - BGH, 5. Strafsenat

Es ist bekannt, dass bei einer Aussage gegen Aussage Konstellation besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen sind. Erforderlich ist eine sorgfältige Aussageninhaltsanalyse, eine genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der Aussage und Bewertung der Aussagemotive, sowie deren Konstanz.

Ganz so einfach ist es dann schlussendlich doch nicht, und die Strafverteidigung sollte sich nicht vollends auf diese besondere Aussage gegen Aussage Konstellation verlassen. Vielmehr muss man auch andere Beweiszeichen würdigen, da diese durchaus Einfluss haben können. Das zeigt jetzt auch ein Beschluss des 5. Strafsenats vom 19.05.2014 (5 StR 177/14).

"Angesichts einer Reihe von außerhalb der Aussage der Geschädigten liegenden Beweisanzeichen für eine durch den Angeklagten verübte Vergewaltigung lag hier entgegen der Auffassung der Verteidigung und des Generalbundesanwalts keine Konstellation vor, bei der allein Aussage gegen Aussage steht und deshalb zusätzliche Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen sind. Die sehr sorgfältigen Erörterungen des Landgerichts zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten hätten jedoch auch diese Anforderungen erfüllt..."

Fazit: 

Ausreichend berücksichtigen muss man als Strafverteidiger auch die außerhalb einer Aussage liegenden Beweisanzeichen. Gegebenenfalls sollte man diese frühzeitig entkräften, sofern möglich. 

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Anforderungen an das Selbstleseverfahren

Im Protokoll der Hauptverhandlung wird festgestellt,  dass „die Schöffen von den genannten Urkunden Kenntnis genommen haben, die übrigen Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zur Kenntnisnahme“. 

Der 1. Senat äußerte sich dahingehend, dass dies den Anforderungen des Gesetzes nicht gerecht wird. Für Berufsrichter und Schöffen muss unterschiedslos die erfolgte Kenntnisnahme festgestellt werden:

"...dass Urkunden und sonstige Schriftstücke nur dann im Wege des Selbstleseverfahrens ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, wenn nach dessen Durchführung zu Protokoll festgestellt ist, dass die Mitglieder des Gerichts vom Wortlaut der Urkunden und/oder sonstigen Schriftstücke Kenntnis genommen haben und die übrigen Verfahrensbeteiligten hierzu Gelegenheit hatten."

BGH , Beschl. v. 5.2.2014 1 StR 706/13 LG Leipzig

Fazit: 

Der Teufel steckt im Detail. Das Selbstleseverfahren hat seine Besonderheiten, die regelmäßig durch die Verteidigung überprüft werden müssen. Hier gilt grundsätzlich: Ein Blick in das Protokoll der Hauptverhandlung ist Pflicht.


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Donnerstag, 19. Juni 2014

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln - wie ist eine Kuriertätigkeit zu bewerten?

Ein Beschluss des BGH vom 20.03.2014 (3 StR 375/13) hat sich mit diesem spannenden Thema auseinandergesetzt und deutlich Stellung bezogen. 

Sachverhalt:

Das Gericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen, davon in 15 Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. 

Der 3. Senat nahm dieses Urteil zum Anlass, nochmal die Unterscheidung Täterschaft und Teilnahme aufzugreifen und letztere an dem Sachverhalt zu erläutern.
"Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs gelten für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Für die rechtliche Einordnung der Beteiligung eines Kuriers an einem Rauschgiftgeschäft ist mithin auf dessen konkreten Beitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt abzustellen. Erschöpft sich die Tätigkeit eines Beteiligten allein im Transport von Betäubungsmitteln oder des Entgelts dafür, kommt dieser mit Blick auf das Umsatzgeschäft in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu. Insoweit kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob der Kurier hinsichtlich des Transports ein hohes Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft innehat, denn auch bei faktischen Handlungsspielräumen insoweit wird das Handeln des Kuriers zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein."
Dieser Beschluss ist deshalb interessant, da er ganz konkret einen Themenbereich anspricht, der oftmals zur Begründung der Täterschaft herangezogen wird: das hohe Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft bei einer Kuriertätigkeit. Letztendlich kann dieser Umstand sehr wohl als untergeordnete Tätigkeit gewertet werden.

Fazit: 

Im Rahmen der Strafverteidigung sollte man einen genauen Blick auf die einzelne Tätigkeit des Kuriers werfen und analysieren. Auch wenn man ein hohes Maß ein Eigenverantwortlichkeit vorfindet, darf man nicht die Flinte ins Korn werfen, sondern vielmehr die Tätigkeit an sich klassifizieren.

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Mittwoch, 18. Juni 2014

Aus aktuellem Anlass: Hauptverhandlung...Ausbleiben des Angeklagten...Entschuldigung

Wenn es zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommt, so hat manch ein Mandant mit plötzlicher Überkeit oder ähnlichem Unbehagen zu kämpfen. Deshalb hört man auch oft die Frage: "Wenn ich nun krank werde, wie soll ich mich verhalten?"

Da wir gerade heute wieder eine nette Diskussion mit einer Geschäftsstelle bei Gericht hatten, nehmen wir das zum Anlass, uns diesen Sachverhalt näher anzuschauen:

Ausgangspunkt ist ein Haftbefehl nach § 230 Absatz 2 StPO, Ausbleiben des Angeklagten.

Hierzu ein interessanter Beschluss des Landgericht Aurich (12 Qs 5/11):

Maßgebend für die Frage ausreichender Entschuldigung ist, ob dem Angeklagten wegen seines Ausbleibens nach den Umständen des Einzelfalls billigerweise ein Vorwurf gemacht werden kann. Es muss vor allem auch in subjektiver Hinsicht eine Pflichtverletzung gegeben sein. Insoweit entschuldigt - wie hier - eine Krankheit das Ausbleiben des Angeklagten, wenn sie nach Art und Auswirkungen eine Beteiligung in der Hauptverhandlung unzumutbar macht. Zur Glaubhaftmachung genügt ein zeitnahes privatärztliches Attest, nach welchem der Angeklagte wegen einer näher bezeichneten Krankheit nicht reisefähig ist bzw. das konkrete Angaben über die Art der Erkrankung enthalten muss.

Dies ist hier der Fall. In der dem Gericht vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 29.12.2010 wird dem Angeklagten ein hochfieberhafter Infekt mit Kreislaufstörungen attestiert, die eine Bettlägrigkeit und Reiseunfähigkeit zur Folge hat und eine Wahrnehmung des Termins am 03.12.2010 unmöglich macht. Eine Anreise unter diesen Umständen wäre für den Angeklagten unzumutbar gewesen bzw. sein Ausbleiben ist ihm nicht vorzuwerfen.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Angeklagte auf diese Weise bereits zum ersten Hauptverhandlungstermin nicht erschienen ist. Wenn das Gericht insoweit das vorgelegte ärztliche Attest nicht für ausreichend hält oder diesem misstraut, hätte es zunächst dessen Ergänzung oder im Freibeweisverfahren eigene Ermittlungen dazu anstellen müssen, ob die vorgetragenen Gründe ein Ausbleiben ausreichend entschuldigen. Da aber auch in der Beschwerdeinstanz keine (weiteren) Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Entschuldigung bloß vorgetäuscht war, bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit des Attestes.

Auch die Tatsache, dass dem Angeklagten seine Verhandlungsunfähigkeit schon wenige Tage vor dem Termin bekannt war, rechtfertigt nicht den Erlass eines Haftbefehls. Da es nämlich auf die wirkliche Sachlage ankommt und nicht auf das Vorbringen des Angeklagten, ist es unerheblich, ob der Angeklagte den Entschuldigungsgrund schon früher hätte mitteilen können. Die erst im Termin erfolgte Mitteilung der Verhandlungsunfähigkeit stellt insoweit kein vorwerfbares Verhalten dar, an das das Gesetz in § 230 Abs. 2 StPO den Erlass eines Haftbefehls anknüpft.
Der Beschluss eignet sich gut, kurz in die vorgenannte Problematik einzutauchen und benennt wichtige Anhaltspunkte für das Vorgehen bei einer Erkrankung.

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Verlesung der Anklageschrift - Teil 2

Wir haben in einem unseren letzten Beiträge über die Verlesung der Anklageschrift im Zusammenhang mit einen angedachten Selbstleseverfahren geschrieben. Dazu hat uns ein Kommentar erreicht, welches wir in diesem Zusammenhang gerne erwähnen möchten. Es gibt hier noch die interessante Ausführung des großen Senats für Strafsachen BGH GSSt 1/10 - Beschluss vom 12. Januar 2011 (LG Mannheim):

Hier wird ausgeführt:
"In Strafverfahren wegen einer Vielzahl gleichförmiger Taten oder Tateinzelakte, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, ist dem Erfordernis der Verlesung des Anklagesatzes i.S.d. § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO Genüge getan, wenn dieser insoweit wörtlich vorgelesen wird, als in ihm die gleichartige Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, beschrieben und die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie bei Vermögensdelikten der Gesamtschaden bestimmt sind. Einer Verlesung der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder der Einzelakte bedarf es in diesem Fall nicht."
Wir selbst haben die Erfahrung gemacht, dass sich manche Gericht schwer tun, die Verlesung zu verkürzen. In den geeigneten Fällen sollte man aber als Strafverteidiger diese Möglichkeit in Betracht ziehen.

Wir bedanken uns für den nützlichen Hinweis, der uns über Twitter erreicht hat.

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Dienstag, 17. Juni 2014

§ 249 StPO - Selbstleseverfahren bei der Anklageschrift?

Als Strafverteidiger kennt man folgende Situation nur zu gut: Eine sehr umfangreiche Anklageschrift, bei deren Verlesung der Staatsanwaltnach nach gefühlten Stunden auf Seite 52 angelangt ist und die 32. Tabelle mit allen Zahlen, Nummern und Buchstaben vorliest. Die Anklage umfasst schlussendlich 90 Seiten.

Oftmals geht einem durch den Kopf: Darauf können wir doch verzichten...die Idee des Selbstleseverfahrens kommt auf...und mal ehrlich, wäre das nicht eine prima Sache?

Dazu folgende Entscheidung (1 StR 458/10):

Soweit die Revision rügt, dass bei der Verlesung der beiden – zugelassenen – Anklagesätze entgegen § 243 Absatz 3 S. 1 StPO einzelne Spalten oder Zeilen darin enthaltener Tabellen nicht verlesen wurden, diese vielmehr in ein vor dem Abschluss der Vernehmung der Angeklagten zur Sache durchgeführtes Selbstleseverfahren gegeben wurden, bleibt ihr der Erfolg versagt.

Der Senat hat ausgeschlossen, dass das Urteil hierauf beruht, da der Zweck der Verlesung des Anklagesatzes nicht beeinträchtigt wurde. Durch die verlesenen Teile der Anklagesätze waren die dem Angeklagten zur Last liegenden Taten hinreichend umgrenzt; das Verlesen der allgemeinen Schilderung der für alle Fälle gleichartigen Tatausführung ist hierzu ausreichend. Die Informationsfunktion gegenüber den Angeklagten und deren Verteidigern war gewahrt; diesen waren die Anklagen vollumfänglich zugestellt worden. Auch die Unterrichtung der Öffentlichkeit wurde – unbeschadet der Frage, wann andernfalls ein Urteil hierauf beruhen könnte – durch das Nichtverlesen einzelner, für das Verständnis der den Angeklagten zur Last liegenden Taten nicht erforderlicher oder förderlicher Einzelheiten nicht beeinträchtigt.

Fazit:

Wenn eine Abkürzung möglich ist, dann nur zu...Selbstleseverfahren für Anklageschriften sind aber nicht vorgesehen.

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Montag, 16. Juni 2014

Bandenbegriff im BtMG - Zeit zum Umdenken?

Als Strafverteidiger kennt man folgenden Sachverhalt nur zu gut:

Mehrere Personen (mehr als 3) fassen aus Angst vor gefährlichen Streckmitteln den Entschluss, von nun an ihren Eigenbedarf an Cannabis selbst zu oganisieren. Man entschließt, aus den Niederlanden Cannabissamen zu bestellen, die man in einer idyllisch gelegenen Waldlichtung versteckt anpflanzt und gemeinsam pflegen kann. Diverse Mal wird erfolgreich geerntet, dann schlägt jedoch die Polizei zu und stellt das Cannabis sicher. Die insgesamt mehreren Kilogramm Marihuana haben eine sehr schlechte Qualität und dienen ausschließlich dem Eigenkonsum.

Die Betroffenen sind sozial integriert, haben bisher ein vorbildliches Leben geführt.

Rechtsfolgen? 

Ganz einfach: Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln (zwei Mal in nicht geringer Menge) nach § 30a BtMG, § 30a Absatz 1 BtMG, § 30 Absatz 1 Nr. 1 BtMG – jeweils im minder schweren Fall – zu bedingten Freiheitsstrafen zwischen 15 und 18 Monaten. Großen Spielraum für vertiefende Erörterungen sah das Landgericht nicht, das Gesetz mache hier klare Vorgaben.

Revision zum BGH: Das Rechtsmittel wurde als offensichtlich unbegründet verworfen.

Fazit:

Als Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht darf man nicht aufhören, diese Situation kritisch zu hinterfragen. Eine tatbestandseinschränkende Auslegung scheint mehr als notwendig. Anknüpfungspunkt hierfür könnte die sogenannte Bandenabrede sein. Als Mindestvoraussetzung könnte gefordert werden, dass sich diese deliktische Vereinbarung zwischen den Bandenmitgliedern nicht nur auf irgendwelche Tathandlungen, sondern auf ein „Handeltreiben” i.S.d. § 29 Absatz I Nr. 1 BtMG beziehen muss.


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Mittwoch, 11. Juni 2014

Vorgelesene schriftliche Erklärung des Angeklagten - was wird Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung?

Immer wieder gerne diskutiert, deswegen nochmal erläutert:

Der Angeklagte bzw. dessen Verteidiger verlesen eine vorbereitete Erklärung. Was wird Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung?

Nicht der Wortlaut des Schriftstücks wird zum Inbegriff der Hauptverhandlung, sondern allein der Inhalt des mündlichen Vortrags. Dessen wesentliche Punkte hat das Tatgericht in den Urteilsgründen festzustellen. Allein diese Feststellungen sind Grundlage der revisionsgerichtlichen Prüfung.

Gibt es alternative Wege in der Strafverteidigung?

Anders liegt es nur, wenn der Wortlaut der schriftlichen Einlassung durch das Gericht im Wege des förmlichen Urkundsbeweises § 249 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt wird. Nur darauf hat der Angeklagte keinen Anspruch. Nur in diesem Falle wäre dem Revisionsgericht eine Kenntnisnahme des genauen Wortlauts des Schriftstücks und damit der Einlassung ohne unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung möglich.

Fazit:

Bei einer vorbereiteten Erklärung sollte die Verteidigung nicht davon ausgehen, dass alles automatisch dem Revisionsgericht vorliegt. Hier ist immer Vorsicht geboten.

Zur Vertiefung: BGH, Beschluss vom 29.03.2011 - 3 StR 9/11


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Dienstag, 3. Juni 2014

Strafrecht Revision: Bei der Verfahrensrüge einfach Akteninhalte einkopieren?

Viele Anwälte vertreten nach wie vor die Auffassung: Strafrecht kann mal eben so nebenbei bearbeiten, schließlich sei die Materie ja eigentlich ganz schlüddig und das Haftungsrisiko zudem gering.
 
So gibt es immer wieder interessante Fallgestaltungen, wie "einfach" man das Strafrecht machen kann - schade nur, dass das Gericht da nicht mitspielt...
 
Folgender Fall:
 
Mandant wird verurteilt. Rechtsanwalt legt Revision ein, Verfahrensrüge. Ganz einfach.
 
Im Gesetzestext heisst es dazu:

§ 344

Revisionsbegründung

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Wir wollen jetzt mal auf den § 344 Absatz 2, Satz 2 StPO schauen: Reicht es, wenn ein Anwalt die  Revisionsbegründungsschrift (über 50 Seiten) aus einkopiertem Akteninhalt einschließlich der Anklageschriften und eines vollständigen Urteils zusammenstellt?

OLG Brandenburg: Nein.

Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass eine Verfahrensrüge nicht den Anforderungen von
§
344 Absatz 2 Satz 2 StPO
genügt, wenn sie statt einer geschlossenen Sachdarstellung einkopierte Akteninhalte enthält.

Fazit: 

Ein Revisionsgericht macht sich nicht die Mühe, Verfahrensfehler und die sie begründenden Tatsachen aus einem zusammengestellten Aktenauszug herauszusuchen. Es bleibt bei dem "anstrengenden" Erfordernis einer umfassenden und geschlossenen Sachdarstellung.

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