Das Strafbefehlsverfahren führt
oftmals ein stiefmütterliches Dasein bei Strafverteidigern. Böse Zungen
behaupten, das läge an der wenig charmanten Verfahrensart. Mandant bekommt Post
von der Polizei, gibt seine Version des Geschehenen zum Besten, monatelang tut
sich nichts, und dann folgt die Geldstrafe. Das sitzt, hat Hand und Fuß – wo
soll man hier noch was bewegen können?
Unabhängig davon, ob man als Verteidiger
eben dieser Ansicht ist oder nicht, bietet aber eben dieses
Strafbefehlsverfahren einen netten kleinen umzäunten Bereich auf dem großen
Spielplatz namens Strafprozessordnung, auf dem man sich als Strafverteidiger so
richtig austoben und so manch eine(n) Richter(in) in die Enge treiben kann. Hier
möchte ich die Kollegen nur dazu anhalten, mit dem richtigen Mandanten an ihrer
Seite den Weg der unerschütterlichen Rechtsverdreher zu beschreiten, und sich
in den Schoß des § 411 Abs. 2 StPO zu schmiegen. Gerade außerhalb unseres
geliebten Tiergartens verspricht die Vertretung des Mandanten im
Strafbefehlsverfahren durch einen Verteidiger hitzige Diskussionen mit den
Amtsgerichten. Wenn man besonders viel Glück hat, lockt man auch noch einen
netten Kollegen - vielleicht als Nebenkläger - auf das recht glatte Eis rund um
das Thema Fernbleiben von der Hauptverhandlung. Dann schmeißen alle mit
Begriffen wie Haftbefehl, Vorfühlbefehl, Kostenlast und anderen die
Verteidigung einschüchternden Begriffen um sich, um das Revier zu markieren.
Das Strafbefehlsverfahren (ohne
Hauptverhandlung) hat gegenüber dem normalen Strafverfahren (mit einer
öffentlichen Hauptverhandlung) eine Besonderheit: Als Betroffener kann man sich
gem. § 411 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger vertreten lassen. Es
bleibt dem Angeschuldigten damit erspart, selbst vor Gericht zu erscheinen.
Dies kann für den Betroffenen ein großer Vorteil sein. Der Verteidiger benötigt
für die Vertretung lediglich eine schriftliche Vollmacht von seinem Mandanten.
Wie leitet sich dieser rechtlich
interessante Aspekt her?
Der Verteidiger ist grundsätzlich
nicht Vertreter des Beschuldigten, sondern selbständiges Organ der Rechtspflege
(§ 1 BRAO). Nach § 137 StPO ist der Verteidiger Beistand des Angeklagten; als
Vertreter gem. § 234 StPO tritt er an dessen Stelle. Damit sind Verteidigung
und Vertretung des Angeklagten zu trennen.
Trotz der
Möglichkeit der Vertretung gemäß § 411 Abs. 2 S. 1 StPO ist das Gericht befugt,
das persönliche Erscheinen des Angeklagten nach § 236 StPO anzuordnen.
Letzteres berührt jedoch nicht das Recht des Angeklagten, sich vor Gericht
vertreten zu lassen.
Beachtet der Angeklagte die Aufforderung nicht, kann das Gericht
ihn vorführen lassen. Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob
trotz Vertretung des Angeklagten sein persönliches Erscheinen angeordnet werden
soll. Pflichtgemäß ist die Ermessensausübung bei Anordnung des persönlichen
Erscheinens, wenn diese zur Aufklärung des Sachverhalts geboten ist und dem
Angeklagten das Erscheinen unter Berücksichtigung seiner Belange und der
Bedeutung der Strafsache zugemutet werden kann. Es bedarf also einer
umfassenden Würdigung aller für und gegen die Anordnung sprechenden
Gesichtspunkte. Für diese Interessensabwägung bedeutend ist, dass auch bei
weiter Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Angeklagten und dem Gerichtsort das
Gericht zur Identifizierung des Täters an Hand von Lichtbildern das persönliche
Erscheinen des Angeklagten anordnen darf.
Erscheint der Angeklagte trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht,
ist das Gericht nicht gezwungen, Zwangsmaßnahmen anzuwenden. Dies ist darin
begründet, dass grundsätzlich auch in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt
werden kann. Gem. § 236 StPO kann das Erscheinen des Angeklagten durch
Vorführungsbefehl oder Haftbefehl erzwungen werden. Das Gericht muss bei
Anordnung von Zwangsmitteln jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
wahren. Wenn das Erscheinen des Angeklagten schon mit einfacheren Mitteln sicher
erreichbar ist, dürfen Zwangsmittel nicht angewendet werden. Daraus ergibt
sich, dass der Vorführungsbefehl dem Haftbefehl vorgeht.
Die Vertretung in der
Hauptverhandlung durch einen Verteidiger ist sicherlich nicht in jedem Fall
sinnvoll, weil manchmal auch der persönliche Eindruck zählt. Allerdings gibt es
durchaus Fälle, in denen auch aus Sicht der Verteidigung die Anwesenheit des
Angeklagten entbehrlich ist, etwa dann, wenn es im Verfahren ausschließlich um
rechtliche Fragen geht. Anwalt und Mandant werden deshalb vor der
Hauptverhandlung gemeinsam entscheiden, ob die Anwesenheit im konkreten
Verfahren erforderlich ist oder ob über den Einspruch auch ohne den Betroffenen
verhandelt werden kann.
Wenn Sie also überlegen, ob Sie gegen einen Strafbefehl Einspruch erheben, sich aber scheuen, als Angeklagter vor Gericht zu erscheinen, dann sprechen Sie mit einem im Strafrecht versierten Rechtsanwalt. Er wird die Möglichkeit der Vertretung in der Hauptverhandlung mit Ihnen erörtern.
Wenn Sie also überlegen, ob Sie gegen einen Strafbefehl Einspruch erheben, sich aber scheuen, als Angeklagter vor Gericht zu erscheinen, dann sprechen Sie mit einem im Strafrecht versierten Rechtsanwalt. Er wird die Möglichkeit der Vertretung in der Hauptverhandlung mit Ihnen erörtern.
Pohl und Marx Rechtsanwälte - Verteidigung in Strafsachen
Rechtsanwalt Jan Marx
Kontakt:
Hohenzollerndamm 181
10713 Berlin
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E-Mail: info@anwalt-marx.de
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